Veröffentlicht inAktuelles

Aldi in Berlin: Mitarbeiterin klagt an – „Geht an die Substanz!“

Der Discounter-Riese Aldi ist für viele eine Anlaufstelle beim Einkauf. Wie es hinter den Kulissen abläuft? Eine Mitarbeiterin packte aus…

Berlin
© IMAGO/Jürgen Ritter

Aldi: So wurde aus einem kleinen Laden ein Discounter-Riese

Mit knapp 12.000 Filialen weltweit gehören Aldi Süd und Aldi Nord zu den erfolgreichsten Discountern. In diesem Video zeigen wir, wie Aldi zum Discounter-Riese wurde.

Der regelmäßige Lebensmitteleinkauf ist für fast alle Menschen unumgänglich. Doch während die Kunden den Einkaufswagen durch die Gänge schieben, bleibt oftmals verborgen, welche Zustände sich hinter den Kulissen der Märkte abspielen – und die können offenbar alles andere als schön sein.

Nachdem bereits ein Filialleiter von Aldi sein Schweigen gebrochen hatte, meldete sich auch eine Aldi-Mitarbeiterin aus Berlin zu Wort. Im Gespräch mit unserer Redaktion erhob die Angestellte schwere Vorwürfe.

Aldi in Berlin: Angestellte meldet sich zu Wort

„Man geht schon mit Bauchschmerzen zur Arbeit“, machte die Frau bereits zu Beginn deutlich. Die Gründe dafür? Wie in den meisten Filialen herrsche auch auf ihrer Arbeitsstelle eine massive Unterbesetzung: „Wenn du konstant in einer 1:1-Besetzung bist, arbeitest du sozusagen für drei Leute. Es fehlen immer ein bis zwei Angestellte.“ Das liege aber nicht am Fachkräftemangel, sondern an der Stundenverteilung der Aldi-Zentrale.

Um Kosten zu sparen würde die Chefetage den Großteil der Arbeitszeit nur noch an gewinnbringende Filialen verteilen. Bei den restlichen Aldi-Discountern müsse die gleiche Arbeit schlichtweg von den vorhandenen Angestellten gestemmt werden. Nahezu ein Ding der Unmöglichkeit. „Du wirst gezwungen, Dinge zu tun, für die du gar keine Ausbildung hast. Und das soll dann auch noch in der Geschwindigkeit passieren, die sie sich wünschen“, erklärte die Kassiererin.

Aldi in Berlin: Kaum möglich, alles unter einen Hut zu bekommen

So sei es beispielsweise nicht unüblich, dass explizit für die Kasse eingesetzte Mitarbeiter zugleich auch Ware verräumen oder gar Aufgaben der Vertretungskraft übernehmen müssen. „Wenn du Pech hast und es nicht hinbekommst, dann droht die Kündigung. Das geht so an die Substanz“, klagte die Berlinerin. Auf Nachfrage unserer Redaktion bei Aldi heißt es dazu: „Grundsätzlich beschäftigen wir in unseren ALDI Nord Filialen Verkäuferinnen und Verkäufer und unterscheiden bei der Anstellung nicht nach Tätigkeitsbereichen. Das heißt konkret: Wir beschäftigen keine Mitarbeitenden im ALDI Markt, die ausschließlich kassieren.“


Auch interessant: Wuhlheide in Berlin: Wald und Freizeitgebiet mit düsterer Geschichte


Den körperlichen als auch mentalen Stress wolle sie zwar nicht zu nah an sich heranlassen, doch das sei leichter gesagt als getan. „Meine Kollegin hat durch den psychischen Druck ganz schwere Magengeschwüre bekommen. Die andere Kollegin hat mit gerade mal 36 Jahren Bluthochdruck bekommen“, erläuterte die Aldi-Mitarbeiterin. Das sei noch längst nicht alles: „Ich habe schon so viele Kollegen zusammenbrechen und weinen sehen, weil der Druck enorm ist.“

Aldi-Mitarbeiterin gibt zu: „Ist mir selbst zum Verhängnis geworden“

Besonders die Frühschicht habe es in sich: Zu zweit muss die komplette Filiale hergerichtet werden – vom Obst und Gemüse, über die Einlagerung der Fleisch- und Wurstwaren bis hin zum Aufbacken der Produkte aus der Backtheke. Und das alles in gerade mal einer Stunde vor Ladenöffnung: „Wenn du da nicht einen Turbo unter den Füßen hast, dann wird es schwer!“ Vor ein paar Jahren seien für diese Aufgabe übrigens auch noch zwei Stunden angedacht gewesen.

Während sich der Stress durch Verringerung der Zeit also weiter erhöht hat, seien die regelmäßigen und vor allem unangekündigten Kontrollbesuche jedoch gleich geblieben. Wer sich mit Problemen an die Vertrauensanwälte wendet und von seinem Beschwerderecht Gebrauch macht, stehe laut der Angestellten allerdings nicht gerade besser da: „Das ist mir selbst zum Verhängnis geworden. Seitdem ist man ein Dorn im Auge.“

Aldi in Berlin: Erschreckende Zustände hinter den Kulissen

Neben einem ohnehin schon angespannten Arbeitsklima kommen nach Aussage der Aldi-Mitarbeiterin auch Überstunden, die oftmals nicht ausbezahlt oder Urlaubstage, die spontan nach hinten verlegt werden, hinzu. Bei Krankheit folge ein Anruf aus der Zentrale, bei der Rechenschaft abgelegt werden müsse und zudem sei es ungern gesehen, wenn sich Angestellte gut verstehen und möglicherweise sogar etwas in ihrer Freizeit zusammen unternehmen.


Mehr News:


Unzumutbare Zustände? „Das ist eine absolute Katastrophe“, sprach die Aldi-Mitarbeiterin aus, was vielen ihrer Kollegen in ganz Deutschland möglicherweise ebenfalls auf dem Herzen liegt. „Ob Kassenkraft, Vertretung oder Filialleitung – die sind alle gleich am Arsch. Die ‚Oberen‘ erwarten, dass man besser als eine Maschine ist. Das kann kein Mensch aushalten. Deshalb verliert Aldi aktuell auch so viele Mitarbeiter“, erklärte die Frau aus Berlin.

Kann Aldi das Ruder nochmal rumreißen?

Mit Tarifanhebungen wolle man der Flut an Kündigungen entgegenwirken. So auch im Fall der Aldi-Mitarbeiterin, die sich an unsere Redaktion gewandt hat. Doch auf das Angebot von mehr Geld und einer höheren Position ist die Kassiererin nicht eingegangen – sie sehe unter den aktuellen Bedingungen keine Zukunft mehr bei Aldi. Denn für die Frau zähle eine andere Priorität weitaus mehr: „Meine Gesundheit ist mir wichtiger!“

Der Konzern selbst scheint hingegen keine Problematik zu sehen. „Dass die Aldi Mitarbeitenden mit ihrem Arbeitsumfeld zufrieden sind, bestätigt unter anderem die lange durchschnittliche Unternehmenszugehörigkeit bei Aldi Nord“, erklärte ein Sprecher auf Nachfrage unserer Redaktion.